Pisa 2018 – Bildungspolitiker*innen lassen Kinder im Stich
„Neue“ Diskussionen um Bildungssystem
Seit fünf Jahrzehnten engagiere ich mich für die Rechte der Kinder, als klinischer Psychologe, als Spiel- und Psychotherapeut, in verschiedenen Organisationen und seit 16 Jahren für LegaKids. Seit Jahrzehnten wird seitens der Politik beteuert und versprochen:
- Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den Klassen werde kleiner,
- die Anzahl der Lehrkräfte werde erhöht,
- die Ausgaben für die Bildung werden erhöht,
- Schulen werden saniert,
- die Chancengleichheit werde verbessert.
Realität ist:
Lehrerinnen und Lehrer arbeiten an den Grenzen ihrer Kräfte, oft weit darüber hinaus. Immer neue, erweiterte Lehrpläne und Bildungsstandards sollen erfüllt werden. Schulen verfallen. Die Schere zwischen guten und schlechten Leser*innen wächst. Mehr und mehr leseschwache Kinder verlieren den Anschluss, verlieren Mut und Lebensfreude.
Aber nach wie vor werden Studierende für das Lehramt unzureichend in der Didaktik des Lese- und Rechtschreiberwerbs ausgebildet!
Noch vor wenigen Monaten hat sich die Bildungsministerin Karlizek gebrüstet: Es sei wunderbar, dass es im Vergleich zu früher über eine Million weniger Menschen gäbe, die nicht ausreichend lesen und schreiben könnten. „Das ist ein Erfolg, den unser Bildungssystem in den letzten Jahren geschafft hat.“ Dass sie dabei die Ergebnisse einer Studie völlig falsch interpretiert hat, wurde in der Öffentlichkeit praktisch nicht wahrgenommen. Selbst die Sprecherin des Beirats der LEO Studie schrieb: „Der Unterschied zwischen LEO 2018 und 2010 ist minimal und nicht signifikant.“
Und nach Pisa 2018?
Jetzt, nach der Veröffentlichung der Pisa Studie 2018, verrät Bildungsministerin Karlizek ach, so ganz neu und ach, wie überraschend: „Wir brauchen einen Aufbruch in der Bildungspolitik!“ (03.12. 2019 Spiegel).
Man kann über die Ergebnisse und Interpretationen der neuen Pisa-Studie geteilter Meinung sein. Klar aber ist, dass sich eine maßgebende Zahl in den letzten Jahren NICHT verändert hat: Jedes fünfte Kind hat große bis sehr große Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben. So braucht sich niemand zu wundern, dass 43 Prozent der Jungen und 24 Prozent der Mädchen in Deutschland Lesen für Zeitverschwendung halten. Auf die kontinuierlichen Beschwichtigungen der Länder und des Bundes können Eltern und Lehrerkräfte daher getrost verzichten.
Die Bildungspolitik versagt sträflich, und das seit Jahrzehnten. Kinder, Eltern aber auch Lehrerinnen und Lehrer müssen das ausbaden. Das ist der Grund, warum wir neben LegaKids.net auch alphaPROF.de erarbeitet haben und kostenlos zur Verfügung stellen.
Bildquelle: Illustration „Schulangst“ © LegaKids Stiftungs-GmbH / Jakob Weyde und Franziska Bachmaier
Vielen Dank für den richtigen und sehr guten Beitrag. Wir müssen alle lauter werden, denn eins passiert mit Sicherheit, wenn wir schweigen: NICHTS. Gibt es wenigstens ein paar neue Professuren im Bereich Sprachdidaktik (Lese- und Rechtschreiberwerb)? Nein! Ich habe bislang von keiner einzigen neuen Stelle gehört – und das bei unseren riesigen Lehrkräftemangel. Es werden nachweislich sogar noch Professuren abgebaut!!!! Das ist besonders schlimm für alle Nachwuchswissenschaftlerinnen, die sich fünf, sieben oder über zehn Jahre auf Stellensuche begeben müssen. Was für eine Zeit- und Kraftverschwendung! Und was für ein Unrecht für alle Kinder, die unter unzureichenden Bedingungen lernen sollen, besonders für diejenigen, die es beim Lesen und Schreiben sowieso schon etwas schwerer haben als andere. Ich mache bei jeder Aktion mit, die auf diese katastrophalen Zustände hinweist! Beste Grüße, Dr. Dorothea Thomé
Es ist alles noch viel schlimmer! Schülerinnen und Schüler lernen nicht genug, weil sie in viel zu großen Klassen von Lehrkräften unterrichtet werden, die ständig über ihrem Limit arbeiten müssen, um überhaupt noch etwas ihren Schülerinnen und Schülern beizubringen und dann auch noch das Verhalten derselben, die anscheinend vielfach im Elternhaus in der Hinsicht überhaupt nicht mehr erzogen werden, mit großen Kraftanstrengungen in Bahnen zu lenken, damit überhapt noch ein Mindestmaß an Kenntnissen uind Fähigkeiten bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. – Ich bin nur überrascht, dass so viele Lehrkräfte ihr nicht mehr zu akzeptierende Unterrichtssituation so klaglos hinnehmen.