Lerntherapie in Schule: Gute und gerechte Bildungschancen

Was passiert eigentlich üblicherweise, wenn sich bei einem Kind Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten abzeichnen?

Wenn es aufmerksame Lehrkräfte und/oder Eltern hat, dann erfolgt oft eine LRS-Diagnostik – meist außerschulisch. Wenn das Kind die Diagnose „Lese-Rechtschreib-Störung“ erhält und in der Folge „Glück“ hat, erhält es eine Lerntherapie – ebenfalls meist außerschulisch. Und oft auch nur dann, wenn Eltern diese Therapie selbst finanzieren können.
Es könnte und kann aber auch ganz anders sein:

Ich bin jetzt mal in der Lerntherapie – Annas Weg zum Lesen

Es klingelt zur Pause – Anna schnappt sich die Federtasche, räumt schnell ihre Sachen vom Tisch und stürmt aus der Klasse. „Ich bin jetzt in der Lerntherapie“.

Die Lehrerin nickt und blickt Anna lächelnd hinterher. Es freut sie, dass Anna nun wieder Spaß am Lernen gefunden hat. Die letzten anderthalb Jahre hat sie sich große Sorgen um das Mädchen gemacht. Schon in der ersten Klasse fiel ihr auf, dass Anna nur sehr langsam die Buchstaben lernte und nie sicher wurde. Als die anderen schon kleine Texte lesen konnten, kämpfte Anna sich mühsam von Laut zu Laut.

Irgendwann hat Anna dann aufgegeben. Sie zog sich immer mehr zurück, war häufig krank und der Lernberg wurde immer größer.

Die Lehrerin erinnert sich noch gut an das tränenreiche Gespräch mit den Eltern – auch zu Hause gab es Kämpfe, Tränen und Zusammenbrüche.

Seit drei Monaten hat die Schule eine Kooperation mit einer Lerntherapeutin aufgebaut. Die Lerntherapeutin ist immer am Dienstagvormittag in der Schule. Anna geht direkt nach der ersten Pause in das für die Lerntherapie reservierte Zimmer. Dort lernt sie in ihrem Tempo und mit speziellen Lernmaterialien. Schritt für Schritt, mit jedem kleinen Erfolg, findet Anna ihre Freude am Lernen wieder. Das sieht man nicht nur daran, dass sie nun alle Buchstaben gut beherrscht – auch ihr Gang und ihre Haltung haben sich verändert und sie hat wieder Mut gefasst.

„Da bin ich wieder!“ Anna kommt zurück in die Klasse zur nächsten Stunde. „Weißt du was, ich schaff das!“

Lerntherapie gehört in die Schule!

Maike Hülsmann vom Fachverband Integrative Lerntherapie hat uns Annas Geschichte zur Verfügung gestellt. Sie zeigt beispielhaft, wie Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten innerhalb der Schule und ohne Stigmatisierung geholfen werden kann. Derzeit hat der FiL e.V. außerdem einen Aufruf online gestellt, den wir gerne teilen:

Gute Bildungschancen für alle von Anfang an!

Auch hier geht es darum, Kinder innerhalb der Schule bestmöglich mit multiprofessionellen Teams dabei zu unterstützen, ihren ganz persönlichen Weg zu finden und zu gehen.

Zum Aufruf „Gute und gerechte Bildungschancen für alle von Anfang an!“


Bildquellen:
Illustration „Mädchen“ © LegaKids Stiftungs-GmbH / Jakob Weyde, Franziska Bachmaier
Teaser „Gute Bildungschancen für alle von Anfang an!“ @ FiL e.V.

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3 Responses zu “Lerntherapie in Schule: Gute und gerechte Bildungschancen”

  1. Dorothea Thomé 26. Juli 2023 um 18:40 #

    Absolut richtig: „Lerntherapie gehört in die Schule!“
    Bese Grüße aus Oldenburg
    Dorothea Th.

  2. Diane Plattner 26. September 2023 um 16:58 #

    Das wäre ein neuer Weg zu weniger Diskriminierung von Kindern und einkommensschwachen Eltern. Außerdem könnte man sich viele Förderschulplätze für andere Kinder sparen.

  3. Pia Lau 11. Oktober 2023 um 8:50 #

    Lerntherapie in der Schule klingt verlockend, Aber wie sieht es tatsächlich aus? Mir fällt mehr als das Stichwort Lehrermangel ein.
    Wonach kann Schule entscheiden, wer im den Genuss der Lerntherapie kommt? Was ist wenn mehr Kinder mit LRS da sind als Therapieplätze? Wie geht es im nächsten Schuljahr weiter? …

    Es gibt auch Punkte, die für eine externe Therapie sprechen, wie z. B. die freiwillige, bewusste Entscheidung für eine Therapie, die Entscheidung für einen Therapeuten meines Vertrauens, eine zum Klienten passendende Methode, individuell abstimmbare Häufigkeit , Zeit und Setting, …

    Letztlich ist es wohl nicht die Frage, wo Lerntherapie erfolgt, sondern WIE Betroffene Zugang dazu erhalten. Es braucht Wissen, Informationen, Beratungsangebote und finanzielle Entlastung für die Familien.

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