Lese-Lust – Leseförderung durch Vorlesen!
Gastbeitrag von Jürgen Belgrad
Ob Sie auf der Couch, im Sessel, auf dem Boden, im Bett oder gar auf einer Blumenwiese vorlesen, spielt keine Rolle – Hauptsache Sie lesen vor!
Viele Kinder genießen die körperliche Nähe zu den Eltern, ja sie suchen das Kuscheln geradezu. Das stärkt die Bindung zu den Eltern.
Die Wissenschaft ist sich einig: Vorlesen gilt als zentraler Ausgangspunkt und Schaltstelle für Leselust und Lesekompetenz.
Zahlen und Fakten
So konnte die Stiftung Lesen in einer repräsentativen Umfrage zeigen, dass regelmäßiges Vorlesen in der Familie noch bei den 10-13Jährigen den Spaß an Büchern, die Häufigkeit und die Dauer des Bücherlesens deutlich steigern. Auch „Freunde treffen“, „Sport treiben“ und „Musik machen“ verändern sich durch Vorlesen positiv. Und die Schulleistungen steigen: in Deutsch, Mathematik und Englisch. Alle diese Effekte treten umso mehr auf, je häufiger den Kindern vorgelesen wird (Stiftung Lesen 2011).
Auch bei unseren Studien mit insgesamt ca. 3700 SchülerInnen der Grund- Haupt- und Realschulen konnten wir diesen Trend bestätigen. Wenn die Lehrkraft regelmäßig vorliest, dann verbessern die SchülerInnen ihre basale Lesekompetenz sehr deutlich (3-4 Mal pro Woche 10-15 min; vgl. Belgrad/Schünemann: Leseförderung durch Vorlesen 2011).
Sicht der Lehrkräfte
Aber nicht nur das: Die Lehrkräfte berichten übereinstimmend, dass ihre Schüler durch regelmäßiges Vorlesen größeres Interesse an Büchern und Literatur entwickeln und sie dann am Unterricht aufmerksamer und konzentrierter teilnehmen. SchülerInnen und Lehrkräfte heben besonders hervor, dass sich auch die Klassengemeinschaft verbessert. Zusätzlich wird das Zuhören und die Fähigkeit geschult, sich das Vorgelesene wie im Kino vorzustellen. Dieses „Kopfkino“ benötigen wir nicht nur beim Lesen, sondern in allen Lebenslagen, wo wir uns was vorstellen müssen: beim Autofahren, beim Planen von Arbeitsabläufen, bei Zeitplanungen usw.
Sicht der Lernenden
Auch die SchülerInnen bestätigten uns die große Lust am Vorlesen und sie genießen die Ruhe in der Klasse. 92% wollen, dass ihnen die Lehrkraft weiter vorliest, ja sie klagen das Vorlesen regelmäßig ein, wenn mal nicht vorgelesen wird.
Wenn Eltern oder Lehrkräfte dann noch mit den Kindern oder Jugendlichen vor oder nach dem Vorlesen über das Gehörte sprechen, verbessern sich diese positiven Effekte nochmals sehr stark. Sprachliche Ausdrucksfähigkeiten werden zusätzlich gestärkt.
Beim Vorlesen lernen die Kinder und Jugendlichen ganz nebenbei die zentralen Bereiche der Literatur kennen und üben sie zugleich: Vorlesen, literarische Gespräche, Erzählen, szenisches Spielen, Gattungen (wie Märchen, Gedichte, Abenteuergeschichten usw.).
Vorlesen bereitet das eigene Lesen wie die Zuwendung zur Literatur positiv vor und ist die erste Stufe zum Selber-Lesen. Und es ist die erste Stufe der Lese-Lust auf Literatur – oder die Wieder-Lust auf Literatur.
Vorlesen wird zur nachhaltigen Förderung von Leselust und Lesekompetenz. Auch die Lehrkräfte und Eltern bekommen durch das regelmäßige Vorlesen wieder mehr Lust auf Literatur – wie uns immer wieder berichtet wurde.
Über den Gastautor
Prof. Dr. Jürgen Belgrad, Professor für deutsche Literatur und Literaturdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten und Leiter des Forschungsprojekts Leseförderung durch Vorlesen.
Falls Sie weitere Aktivitäten wie Workshops für Eltern und Lehrkräfte, schulische Fortbildungen oder auch Durchführungen des Projekts Leseförderung durch Vorlesen suchen, finden sie diese Informationen hier.
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