Begriffsklärung: Dyskalkulie, Rechenstörung, Rechenschwierigkeiten
Um Lernschwierigkeiten in Mathematik zu beschreiben, verwendet die Fachwelt viele verschiedene Begrifflichkeiten. Die einen reden von Rechenschwäche oder -störung, andere von Dyskalkulie und wieder andere benutzen den Begriff der Rechenschwierigkeiten. Doch welche wissenschaftlichen Standpunkte verbergen sich hinter den verschiedenen Begriffen? Ein Überblick.
Neuropsychologische Erklärungsmuster für „Rechenstörungen“
„Rechenstörung“ oder „Dyskalkulie“ heißt es meist in neuropsychologischen Erklärungsansätzen. Die Diagnose richtet sich üblicherweise nach der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10-GM). Danach ist ein Kind von einer Rechenstörung betroffen, wenn bei „normaler Intelligenz“ gravierende Probleme im mathematischen Bereich festgestellt werden (Diskrepanzkriterium).
Als Ursachen einer Rechenstörung werden in der Neuropsychologie häufig eine geringe neuronale Aktivität in bestimmten Hirnarealen und genetisch bedingte Faktoren genannt.
Umweltfaktoren wie psychosoziale Probleme oder falsche Unterrichtsmethoden könnten zwar eine vorhandene Rechenstörung verschlimmern, seien aber nicht die Ursache. Da es bei einer Rechenstörung nicht zu einem ausreichenden Aufbau mathematischer Basiskompetenzen komme, wird häufig eine Früherkennung und Frühförderung gefordert. Die Diagnose beziehungsweise Ermittlung der mathematischen Kompetenzen erfolgt anhand standardisierter Rechenetests.
„Rechenschwierigkeiten“ aus der Sicht der Entwicklungspsychologie
Vertreterinnen und Vertreter der Entwicklungspsychologie sehen das Diskrepanzkriterium und den Begriff der „Rechenstörung“ / „Dyskalkulie“ als problematisch an. Sie sehen eine Stigmatisierung und Pathologisierung der betroffenen Kinder.
Ein Kritikpunkt ist etwa, dass die Messung der Diskrepanz zwischen Rechenfähigkeiten und Intelligenzquotient nicht genau ist bzw. nicht trennscharf sein kann. Die Ergebnisse unterliegen je nach verwendetem Test großen Schwankungen. Gleichzeitig gibt es keine klar erkennbare Gruppe von Kindern mit Rechenschwierigkeiten und Kindern ohne solche, sondern ein Kontinuum, in dem willkürlich an einer Stelle ein Schnitt durchgeführt wird. Auch berücksichtigen standardisierte Tests nur das Ergebnis, nicht aber den Rechenweg. So kann beispielweise ein Kind „zählend“ rechnen und so zum richtigen Ergebnis gelangen. Das anhaltende Fingerzählen ist jedoch ein Hinweis auf Rechenschwierigkeiten, was in diesem Fall übersehen würde. So können Kinder und Jugendliche im Test unauffällig sein, aber dennoch einen Förderbedarf haben.
Deshalb ist eine Professionalisierung der Lehrkräfte notwendig, insbesondere mit Blick auf fachdidaktische Fähigkeiten und Methoden der Förderdiagnostik. Nur so kann man letztlich alle Kinder in ihrem tatsächlichen Förderbedarf erkennen.
Hintergrundinfos und Hilfestellungen für Lehrerkräfte
Das Staatsinstitut für Qualität und Bildungsforschung in München hat eine Handreichung erstellt, die das Grundlagenwissen zum Thema „Kinder mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnenlernen“ thematisiert. Mathematische Lernprozesse werden ebenso beleuchtet wie rechtliche Fragen und Zuständigkeiten bei der Unterstützung eines betroffenen Kindes. Im zweiten Teil finden Sie Hilfestellungen zum Thema Lernstandsanalyse und den damit verbundenen Fördermöglichkeiten. Zur Veranschaulichung gibt es viele Praxisbeispiele am Schluss der Broschüre.
Hier können Sie die Handreichung als pdf-Datei direkt herunterladen.
Bildquelle: © LegaKids Stiftungs-GmbH / Jakob Weyde, Franziska Bachmaier
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