20.11. Tag der Kinderrechte: Das Recht der Kinder auf Lesen

Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen – Recht auf Bildung, Recht auf Gesundheit

Die Fähigkeit zu lesen ist entscheidend, um aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. Das Recht auf Bildung, das in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgeschrieben ist, beinhaltet daher eben diese Fähigkeit zu lesen. Und auch das Kinderrecht auf Gesundheit hängt eng mit der Lesefähigkeit zusammen.

Ottawa Charta: Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Denn Gesundheit wird spätestens seit der Ottawa Charta 1986 u.a. als Fähigkeit und Motivation gesehen, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen. Der Schriftspracherwerb ist auch und gerade im Zeitalter der Digitalisierung eine wesentliche Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Die Bedeutung der Schriftsprache auch im Kontext von „Familie und Gesundheit“

Wir möchten auf drei zusammenhängende Probleme hinweisen, die Kindern und ihren Familien den Zugang zu persönlichen und gesellschaftlichen Ressourcen sowie zu einem eigenverantwortlichen Gesundheitsbewusstsein erschweren:

  1. Es gibt eine Tendenz, Kinder, die nicht den engen Schulnormen entsprechen, als gestört, krank oder behindert zu etikettieren und ihre Schwierigkeiten außerhalb des schulischen Umfelds zu behandeln.
  2. Ein zu hoher Anteil von Kindern erreicht in der Schule nur unzureichende Grundkenntnisse im Lesen.
  3. Diese beiden Probleme führen zu Belastungen für Familien, die sich auf die psychische, körperliche und wirtschaftliche Entwicklung der Familie auswirken.

Der enge Zusammenhang zwischen Gesundheit und Bildung kann gravierende negative Folgen haben – und verstärkt sich gegenseitig. Ein schlechter körperlicher sowie psychischer Gesundheitsstatus erschwert auch die Fähigkeit und Bereitschaft zur aktiven Teilnahme und zur Aneignung von gesundheitsbezogenem Wissen. Umgekehrt gilt: Wer sich nicht angemessen Wissen aneignen kann, dem ist auch der Zugang zu gesundheitsbezogenen Ressourcen erschwert.

Diese Tatsache verpflichtet alle beteiligten gesellschaftlichen Kräfte, dafür Sorge zu tragen, allen Kindern den Zugang zu Schriftsprache zu ermöglichen.

Bildungsrealität in Deutschland

Aber die Realität im deutschen Bildungssystem sieht anders aus. Die Entwicklungen der letzten Jahre im Zusammenhang gesehen sind mehr als alarmierend.
Die IGLU (Internationale Grundschule-Lese-Untersuchung) Studien der vergangenen Jahre kommen zu folgendem Ergebnis:

Prozentsatz der Viertklässler mit unzureichender Lesekompetenz
2006  13% 
2011  15,4 %
2016 18,9 %
2021  25% (veröffentlicht 2023)

Die IGLU-Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass diese Kinder in ALLEN Fächern erhebliche Schwierigkeiten haben oder bekommen.

Folgen und fehlende Konsequenzen der Regierungen:
Regierung 2006 „Da müssen wir etwas tun.“
Regierung 2011 „Mehr in die Bildung investieren“
Regierung 2016 „Wir sind auf einem guten Weg.“
Regierung 2023 „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln.“

Trotz immer wieder neuer Beteuerungen liefert die Politik seit Jahrzehnten weder eine ausreichende Finanzierung des Bildungssystems noch nachhaltige, zukunftsfähige Bildungskonzepte.

LegaKids dankt an dieser Stelle ausdrücklich zig-tausenden außerschulischen Förderkräften und den vielen engagierten Institutionen und Einzelpersonen. Ohne deren Einsatz wären die Ergebnisse noch wesentlich bedrückender.

Forderungen, Sofortmaßnahmen zum Recht auf Lesen

Zur Umsetzung dieses Recht schlagen wir Maßnahmen vor, die vereinzelt bereits durchgeführt werden, aber flächendeckend Anwendung finden müssen:

  • Eine fundierte Ausbildung zur Didaktik des Schriftspracherwerbs und vor allem zu möglichen Problemen im Prozess des Schriftspracherwerbs muss für alle Grundschullehrkräfte verpflichtend sein.
  • Anstelle der gleichschrittigen Unterrichtung der Schriftsprache werden individuelle Lernwege der Kinder zugelassen und unterstützt.
  • Bestmögliche individuelle Förderung wird durch in die Schulstruktur integrierte Förderkräfte (insbesondere Lerntherapeut*innen) gewährleistet, um Stigmatisierung und Selektion vorzubeugen.
  • In besonderen Fällen kann eine spezielle außerschulische Förderung ergänzend notwendig sein. Diese darf nicht von einer Einstufung oder Diagnostik des Kindes als „krank“, „von einer Störung betroffen“ oder „von einer seelischen Behinderung bedroht“ abhängig gemacht werden.

Alle Kinder haben das Recht, möglichst gut lesen lernen zu können. Damit haben sie auch einen Anspruch auf entsprechende Förderung innerhalb oder außerhalb der Schule. Die Länder sind verpflichtet, diesen Anspruch umzusetzen.

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