Negative Lernstruktur: Lernen ohne Spaß und Erfolg
Das Modell „negative Lernstruktur“ (siehe Abbildung auf der rechten Seite) verdeutlicht, auf welche Weise Lernschwierigkeiten sich auf verschiedene Lebensbereiche eines betroffenen Kindes auswirken können. Neben den Faktoren Familie, Freundeskreis, etc. spielen auch die Voraussetzungen innerhalb der Schule eine Rolle. Wenn eine Schülerin/ein Schüler mit Schwierigkeiten in einem dieser Lebensbereiche (Familie, Klassenklima usw.) zu kämpfen hat, sind in der Folge meist auch andere Bereiche betroffen.
Negative Lernstruktur: das Modell von Betz und Breuninger
Der “Teufelskreis Lernstörungen” ist ein Begriff, der in den 1980er und 1990er Jahren von Betz/Breuninger (1998) geprägt wurde. An Aktualität hat er (leider) nichts verloren. Erlebt ein Kind erste Misserfolge beim Erlernen des Lesens und Schreibens – egal aus welchem Grund –, tritt im Zusammenspiel mit den Reaktionen der Umgebung häufig eine sich aufschaukelnde negative Entwicklung ein: Das Kind ist verunsichert, sein Selbstwertgefühl sinkt.
Mit Botschaften wie “Du musst dich einfach mehr anstrengen!” oder “Du bist einfach nur faul. Das kann doch jeder!” wird das Kind zusätzlich verwirrt – bisher haben die größten Anstrengungen ja nicht zum Erfolg geführt, also muss es wohl wirklich an ihm selbst liegen. Das Kind entwickelt das Gefühl, dumm oder faul zu sein. Kommen abwertende Kommentare Gleichaltriger dazu “Der kann ja nicht mal lesen!”, sucht das Kind womöglich in anderen Bereichen nach sozialer Aufmerksamkeit (z.B. durch Kaspereien oder besonderes “Cool-Sein”).
Folgen negativer Aufmerksamkeit
Durch die folgende negative Aufmerksamkeit von außen wird das Selbstwertgefühl des Kindes zusätzlich zu den schlechten Noten belastet. Es reagiert je nach Persönlichkeit mit auffälligem Verhalten, sozialem Rückzug oder beginnt, sich ganz zu verweigern. Vor diesem Hintergrund verfestigen sich die Lernprobleme mehr und mehr. Letztlich kann dies dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler mit anfänglich nur geringen Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten in einer Schulform bzw. Klassenstufe landen, die keineswegs ihren Möglichkeiten entspricht, sich selbst als “hoffnungslosen Fall” erleben und teilweise auch von außen so betrachtet werden (vgl. Betz/Breuninger 1998).
Zusammenarbeit von Schule und Eltern
Damit Kinder und Jugendlichen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben erst gar nicht in eine „negative Lernstruktur“ geraten, sollte besonders die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Eltern und Lerntherapeuten gestärkt werden. Eine erste Kontaktaufnahme könnte beispielsweise über ein Eltern-Lehrer-Gespräch stattfinden. In diesem Rahmen könnten die verschiedenen Sichtweisen auf das Kind ausgetauscht werden, um Schwierigkeiten vorzubeugen bzw. gemeinsam zu begegnen. In Kurs acht finden Sie einen Gesprächsleitfaden.
Weiterführende Informationen zu den Ursachen für LRS
Weitere Informationen zu den Ursachen für LRS finden Sie in Kurs 2. Um einen Zugang zu den Kursinhalten zu erhalten, können Sie sich hier kostenlos registrieren.
Literaturhinweis
Betz, D./Breuninger, H. (1998): Teufelskreis Lernstörungen. Weinheim: Beltz.
Leider ist das so. Und es liest sich so einfach…so einfach dachte ich auch vor Jahren mal…Problem erkannt…Problem beheben…und nach jahrelanger Wirklichkeit…sind alle Kräfte aufgebraucht.
Eine Förderung und Mut zur Individualität ist in unserem System nicht erwünscht. Zusammenarbeit findet nicht statt und Bereitschaft von außen dazu zu lernen auch nicht.
Irgendwann in diesem System ist das Geld und die Kraft aufgebraucht…und dabei wäre es doch eigentlich so einfach…
Schöne Worte…so einfach…
Aber die Realität sieht anders aus ?
Liebe Frau Arndt,
ja, die Realität sieht an vielen Schulen leider anders aus! Man kann eigentlich gar nicht oft genug auf diese Problematik aufmerksam machen …
Herzliche Grüße vom alphaPROF-Team
Es gibt immer mehr Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS)!
Und Lehrer sind oft überfordert, wenn Kinder in ihrer Klasse mehr INDIVIDUELLE FÖRDERUNG brauchen. Das mag an der Klassengröße und Heterogenität der Kinder liegen, aber möglicherweise auch an mangelnder Ausbildung in Bezug auf spezielle Themen (z.B LRS) während des Lehramt-Studiums.
Kinder mit „LRS“ (Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten) bleiben häufig viel zu lange ´unentdeckt`. Oft beginnt für sie ein ´stiller Leidensweg`, der erst dann zu ´Handlungsbedarf` führt, wenn die Frustration der betroffenen Kinder über die schulischen Misserfolge schon zu offensichtlicher Verweigerung oder zu sozialem Rückzug geführt haben.
Kinder brauchen ERFOLGSERLEBNISSE, um motiviert zu bleiben (zu Schulbeginn sind alle Kinder hoch motiviert, sie WOLLEN LERNEN)! Wir können doch nicht zulassen, dass diese anfängliche Motivation und Lernfreude immer mehr abhanden kommt!
Auswege aus diesem Teufelskreis? Wenn die Schule eine angemessene, individuelle Förderung nicht leisten kann (und so ist es leider meistens), müssen rechtzeitig externe, qualifizierte Förderkräfte hinzugezogen werden. Dann müsste man sich aber auch endlich mal Gedanken über deren Finanzierung machen. Es kann ja wohl nicht sein, dass immer noch erst eine drohende ´seelische Behinderung` des Kindes diagnostiziert werden muss, damit die Kosten für eine notwendige, individuelle LRS-Förderung übernommen werden können (das ist die Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Jugendämter!). Oder hängt eine adäquate Förderung eines Kindes (und damit sein weiterer Schul- und späterer Berufserfolg) tatsächlich immer noch von den finanziellen Verhältnissen der Herkunftsfamilie ab?
Legasthenietherapie Claudia Queren, Kassel
Leider ist es so, auch bei uns in der Schweiz. Am schlimmsten ist es für sehr gut begabte Kinder mit LRS. Da versteht keiner, warum die nicht einfach mehr tun, klever sind sie ja. Oder man merkt ganz ganz lange nicht, woran es wirklich liegt, weil sie extremste Strategien entwickeln um nicht aufzufallen.
Habe nun zwei Kinder mit schwerer LRS durch die Schulzeit begleitet. Die Kommentare, von sie müssen sich nur mehr konzentrieren, dann gehts. Wenn sie sich halt keine Mühe geben, sie müssen halt zu Hause auch mit ihnen üben.
Kein Lehrer weiss, was wir alles gemacht haben um ihnen zu helfen. Und dann der netteste Kommentar, sie haben halt ein nicht so gescheites Kind, vielleicht müssen sie das einfach mal akzeptieren, es kann nicht wie die anderen. Nach Abklärungen, privat organisiert und bezahlt, lag dann klar auf dem Tisch, das Kind ist sogar sehr gescheit, Hochbegabt nämlich mit gravierenden Schwierigkeiten im Sprachbereich. Leider kam dann die psychische Störung doch noch, bis hin zu Suizidversuchen. Und ab da war doch endlich mal möglich, dass das Kind Prüfungen mündlich machen durfte, oder mehr Zeit bekam um Texte zu erlesen und siehe da, mit diesen eigentlich kleinen Anpassungen ist es nun eines der besten Kinder über die Kantonsgrenzen hinaus. Die ständige Anspannung und die Angst, es nicht in der Zeit zu schaffen, hatte Auswirkungen auf alle Lernbereiche, auch auf Mathe, wo sie wirklich gleichaltrigen weit voraus ist. Aber es ist nach wie vor so, wenn Eltern sich einsetzen, wenn Geld vorhanden ist und Erfahrung im Umgang mit diesen Schwierigkeiten, dann haben die Kinder viel mehr Chancen auf eine adäquate Schulbildung, als bei Familien, die das nicht leisten können. Chancengleichheit gibt es auch bei uns nicht.