Lernschwierigkeiten in Mathematik: Ursachen und Förderkonzepte im wissenschaftlichen Diskurs

Lurs mit Ärger und StreitUm Lernschwierigkeiten in Mathematik zu beschreiben, werden in der Fachwelt viele verschiedene Begrifflichkeiten verwendet. Die einen reden von Rechenschwäche oder -störung, andere von Dyskalkulie und wieder andere benutzen den Begriff der Rechenschwierigkeiten. Doch welche wissenschaftlichen Standpunkte verbergen sich hinter den verschiedenen Termini? Das Staatsinstitut für Qualität und Bildungsforschung (ISB) in München stellt zu diesem Thema auf seiner Seite eine Handreichung für GrundschullehrerInnen sowie Material zu den verschiedenen wissenschaftlichen Standpunkten zur Verfügung. Im Folgenden stellen wir Ihnen die beiden verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven vor, die sie im Detail auf den Seiten des ISB nachlesen können.

Neuropsychologische Erklärungsmuster für „Rechenstörungen“

Neuropsychologische Erklärungen benutzen den Begriff der „Rechenstörung“ oder „Dyskalkulie“. Die Diagnose richtet sich üblicherweise nach der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10-GM). Danach ist ein Kind von einer Rechenstörung betroffen, wenn bei „normaler Intelligenz“ gravierende Probleme im mathematischen Bereich festgestellt werden („Diskrepanzkriterium“).

Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne von der Klinik für Kinder- und Jungendpsychatrie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München benennt u.a. als Faktoren einer Rechenstörung eine „geringe neuronale Aktivität“ und „genetisch bedingte“ Ursachen.

Umweltfaktoren (wie psychosoziale Probleme, falsche Unterrichtsmethoden, …) könnten zwar eine vorhandene Rechenstörung verschlimmern, seien aber nicht die Ursache. Da es bei einer Rechenstörung nicht zu einem ausreichenden Aufbau mathematischer Basiskompetenzen komme, fordert er eine frühere Erkennung der Betroffenen, um sie frühestmöglich entsprechend fördern zu können und empfiehlt zur Ermittlung der mathematischen Kompetenzen standardisierte Rechenetests.

„Rechenschwierigkeiten“ aus der Sicht der Entwicklungspsychologie

HürdenVertreter der Entwicklungspsychologie halten das Diskrepanzkriterium und den Begriff der „Rechenstörung“ bzw. „Dyskalkulie“ aus verschiedenen Gründen für problematisch und befürchten eine Stigmatisierung bzw. Pathologisierung der betroffenen Kinder.

Prof. Dr. Hedwig Gasteiger vom Mathematischen Institut der Ludwig-Maximilian-Universität München betont, dass die Messung der Diskrepanz zwischen Rechenfähigkeiten und Intelligenzquotient ungenau sei. Die Ergebnisse hingen letztlich auch von den verwendeten Tests ab. Zudem würde bei standardisierten Tests nicht der Rechenweg bzw. die angewandte Methode des Kindes berücksichtigt. Beispielweise könne man auf diese Weise nicht erfassen, ob ein Kind „zählend“ rechnet (und so durchaus zum richtigen Ergebnis gelangt), was u.a. ein Hinweis auf Schwierigkeiten beim Rechen wäre.

So würden Kinder und Jugendliche „durch das Raster fallen“, die nichtsdestotrotz einen Förderbedarf hätten. Gasteiger fordert daher die Professionalisierung der Lehrkräfte v.a. mit Blick auf fachdidaktische und förderdiagnostische Fähigkeiten. Damit könnten alle Kinder in den Blick genommen werden, die Lernschwierigkeiten im Fach Mathematik haben – unabhängig davon wie „intelligent“ sie seien. Wichtig für erfolgreiches mathematisches Lernen sei eine fachlich fundierte Unterstützung, um die Fähigkeit zu erlangen, „mentale Vorstellungsbilder“ aufzubauen.

Hintergrundinfos und Hilfestellungen für LehrerInnen

Die Handreichung auf der Seite des Staatsinstituts für Qualität und Bildungsforschung in München vermittelt in einem ersten Teil das Grundlagenwissen zum Thema „Kinder mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnenlernen“. Dabei wird der mathematische Lernprozess genauer betrachtet. Außerdem werden rechtliche Fragen angesprochen sowie die Zuständigkeiten bei der Unterstützung des betroffenen Kindes. Im zweiten Teil finden Sie Hilfestellungen zum Thema Lernstandsanalyse und den damit verbundenen Fördermöglichkeiten. Abschließend finden sie ein Praxisbeispiel zur Veranschaulichung.

Hier können Sie die Handreichung als pdf-Datei direkt herunterladen.

 

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