Gemeinsam mit seinen Projektpartnern sammeln LegaKids und alphaPROF Empfehlungen für die Kooperation von Lerntherapie und Schule, um beide Bereiche enger miteinander zu verknüpfen. Langfristig sollen damit die Förder- und Unterstützungsstrukturen für Schülerinnen und Schüler verbessert werden.
Praxisbericht zu Fortbildungskonzepten
Hans-Joachim Lukow, Michael Wehrmann
Viele Schülerinnen und Schüler zeigen Schwierigkeiten beim Rechnen bzw. bestimmten Basiskompetenzen, die für das Erlernen der mathematischen Grundoperationen notwendig sind. Das Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen (Rechenschwäche/Dyskalkulie) und das Institut für Mathematisches Lernen Braunschweig (Mitglieder im Arbeitskreis des Zentrums für angewandte Lernforschung gemeinnützige GmbH) gehen verschiedene Wege, um Lehrkräfte in der Grundschule zu unterstützen, wenn Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten beim Erlernen dieser Basiskompetenzen zeigen. Dazu gehören zum einen Fortbildungen für Lehrkräfte zu verschiedenen Methoden und Materialien, die das Rechnenlernen unterstützen, zum anderen gehört auch ein umfassendes Screening dazu, das frühmöglich helfen soll, Schwierigkeiten der Kinder zu erkennen.
Praxisbericht LEA-1 Lernstandserhebung Arithmetik – Zahlen sind mehr als eine kleine Nummer
Wie können die Weichen für das Rechnen von Anfang an richtig gestellt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer ganztägigen Fortbildung für das gesamte Kollegium des Johannes-Falk-Hauses in Hiddenhausen.
Die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ hatte dazu den Referenten Hans-Joachim Lukow, Leiter des Osnabrücker Zentrums für mathematisches Lernen (Rechenschwäche/Dyskalkulie), eingeladen.
Die frühzeitige Intervention bei einer Rechenschwäche oder bei großen Schwierigkeiten beim Rechnen bereits im Anfangsunterricht haben sich die FörderschullehrerInnen zum Anliegen gemacht. Lukow sprach über das Thema „Individueller mathematischer Unterricht in der 1. Klasse“. So befassten sich die LehrerInnen unter anderem mit der Frage, wie sie überprüfen können, ob ein Kind weiß, dass Zahlen sich aus anderen Zahlen zusammensetzen und daher auch wieder zerlegt werden können und nicht einfach Nummern sind, die wie ein Zahlenalphabet aufgesagt werden. Wird das Operieren mit Zahlen beim Rechnen bis 10 vom Schüler verstanden und automatisiert oder bleibt er an zählenden Verfahren haften?
Zudem befasste sich das Kollegium mit Materialien, die helfen können, ein Mengen-und Zahlverständnis beim Kind zu entwickeln. Der Referent stellte ein aus der lerntherapeutischen Praxis mit rechenschwachen Kindern heraus entwickeltes Schüttelbox-Programm vor, das im Klassenverband und im Einzelunterricht eingesetzt werden kann und den Kindern ermöglicht, Zahlen bis 10 visuell und enaktiv zu durchdringen. Dabei geht es darum, Strukturen simultan (auf einen Blick), also zählfrei, im Zehnerfeld und in der Schüttelbox zu erkennen und mit diesem Verständnis die Basis der Zahlzerlegungen sicher zu erlernen. Dem Referenten ging es um die Vermittlung von Voraussetzungen, die für das Erlernen des Rechnens elementar und für ein späteres automatisiertes Addieren und Subtrahieren notwendig sind.
Zehnerfeld und Schüttelbox
Im zweiten Teil des Seminars wurde die individuelle mathematische Förderung von Kindern thematisiert. In vielen Lehrbüchern heißt es: „Rechne auf deinem Weg!“, so Lukow. „Aber welcher Rechenweg ist der einfachste? Und stimmt es, dass Kinder, die sich mit dem Erlernen der Mathematik schwer tun, durch ein Angebot von vielen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten eher verwirrt werden, statt es ihnen leichter zu machen?“
Zu der Fragestellung, warum diese Fortbildung an der Schule vor dem ganzen Kollegium durchgeführt wurde, so Peter Weber, didaktischer Leiter der Schule: „Weil gerade und besonders die individuelle mathematische Förderung für uns im Vordergrund steht“.
Angesichts der Vielzahl von Methoden in den Mathebüchern gab der Referent Anregungen für die Behandlung dieses Themas an der Förderschule. Denn oftmals sei das Rechnen über den Zehner hinaus für die SchülerInnen eine große Herausforderung und die Methodenvielfalt ein echtes Problem. Zu der Gesamtveranstaltung resümierend äußerte sich Weber: „Wir haben viele praxisnahe Anregungen erhalten, an denen wir weiter diskutieren werden.“
Die Weichen vom Zählen zum Rechnen von Anfang an richtig stellen!
Für einen tragfähigen Aufbau des Zahlenraums bis zehn ist die genaue Kenntnis darüber, wie Zahlen in Teilmengen zerlegt werden, von elementarer Bedeutung. Sie erleichtern das Rechnen beim Zehnerübergang vorwärts und rückwärts und sind bei der Simultanerfassung von Mengen über vier notwendig.
Häufig wird im schulischen Kontext viel zu schnell über das zählfreie Erfassen von Anzahlen hinweggegangen, was jedoch für die Zahlzerlegung eine unabdingbare Voraussetzung ist. Wie und welche Strukturen dabei vom Kind zu erkennen sind, wie Anzahlen visuell umzubauen sind, wird mit Fingerbildern, Zehnerfeldern und dem Schüttelblock* zu Leibe gerückt.
Warum überhaupt verschiedene Materialien für das Erfassen von Anzahlen?
Die Finger- und Würfelbilder sowie das Zehnerfeld haben der Sache nach kaum etwas Gemeinsames. Denkt man sich den Mathematikunterricht weg, sind es Materialien aus der Anatomie, dem Spiel und der Schule. In der mathematischen Benutzung schafft der Lehrende den Gesichtspunkt, alles unter dem Aspekt der Anzahl zu betrachten.
Kinder erschließen sich ihre Umgebung, indem sie Klassen/Gruppen/Kategorien bilden. Im mathematischen Anfangsunterricht ist der Schwerpunkt in der Klassifikation „Anzahlen“ zu legen. Um die gemeinsame Klasse „Anzahlen“ herauszuarbeiten ist es notwendig, mindestens zwei Materialien zu verwenden, die unterschiedlich strukturiert sind. Für ein Kind ist es alles andere als selbstverständlich, dass 5 und 2 Finger, 6 und 1 Würfelpunkt und 4 und 3 Kugeln im Zehnerfeld als die wertmäßig gleiche Anzahl, hier 7, wahrgenommen werden.
Verlauf der Fortbildung
Zunächst kamen vier Kollegen aus der Schule zu einer Fortbildungen in den Räumen des OZmLs, um dann nach geprüfter Praxis-Tauglichkeit diese Fortbildung für ca. 70 Kollegen an der Schule stattfinden zu lassen. Ca. drei Wochen nach der Forbildung besuchte der Referent eine Fördergruppe mit neun Schülern, um mit den Lehrern eine diagnostische Einschätzung zu treffen, inwieweit bei Kindern elementare Voraussetzungen für mathematische Grundlagen vorliegen (simultane Erfassung kleiner Mengen bis 4, aufsagen der Zahlwortreihe bis 10, Verinnerlichung des Wissens, dass sich die Anzahl einer Mengen nur durch Hinzufügen oder Wegnehmen ändert, während die Repräsentanz der Menge durch zusammenschieben, die Anzahl der Elemente konstant lässt).
Praxisbericht Individuums- und Lernentwicklungszentriertes Screening Arithmetik – Damit Mathe kein Hassfach wird
aus der Braunschweiger Zeitung vom 09.12.2016
Zu den Autoren:
Hans-Joachim Lukow, Leiter des Osnabrücker Zentrums für mathematisches Lernen (Rechenschwäche/Dyskalkulie) und des Zentrums für angewandte Lernforschung gemeinnützige GmbH
Dr. Michael Wehrmann, Institut für Mathematisches Lernen Braunschweig, Beratungs- und Forschungseinrichtung für Diagnostik, Therapie und Prävention der Rechenschwäche/Dyskalkulie