Projektvorstellung “Praxisreader“

Gemeinsam Förderung gestalten – Kooperation von schulischer und außerschulischer Förderung

Die deutschen Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Das ist per se nichts Neues. Dennoch lohnt es sich, die aktuellen Bedingungen von und Anforderungen an Schulen etwas näher zu beleuchten:
Die ständige Qualitäts(weiter)entwicklung seit PISA mit Bildungsstandards sowie vielfältigen Schulreformen in einzelnen Bundesländern erfordern immer neue Strukturen. Auch die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre wie das “Gesamtpaket” Inklusion oder die Förderung und Integration von Nicht-Muttersprachlern sind Bewährungsproben für die Schulsysteme der Länder. Gleichzeitig stehen Lehrkräfte jeden Tag ganz konkret vor den individuellen Begabungen und Schwierigkeiten jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin.

Können Schulen die anstehenden Herausforderungen bewältigen?

Schon die Vielzahl dieser Herausforderungen lässt den Schluss zu, dass hier nicht einfach von den Kultusministerien Änderungen beschlossen werden können, deren Ausführung dann den einzelnen Schulen bzw. Lehrkräften bei gleichbleibenden äußeren Bedingungen überlassen wird. Denn bisher vermögen es die Systeme Schule und Lehrerbildung eindeutig nicht, die neu entstandenen Bedarfe und Bedürfnisse abzudecken.

Plädoyer für ein Umdenken

Als ein im deutschsprachigen Raum einmaliges Fortbildungskonzept sehen wir es mit alphaPROF als unsere Aufgabe, Lehrerinnen und Lehrer für Lernschwierigkeiten (in unserem konkreten Fall Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten) zu sensibilisieren. Wir haben die Kurse sorgfältig konzipiert und in den vergangenen Jahren Gespräche mit zahlreichen Lehrerinnen und Lehrern geführt. Dabei ist uns bewusst geworden, dass viele der didaktisch-methodischen Prinzipien, die wir auf alphaPROF für die Förderung lese-rechtschreib-schwacher Lernender vorstellen, nicht nur für diese Gruppe gute Voraussetzungen schaffen. Auch die anderen Schülerinnen und Schüler profitieren im Unterricht, so dass sie ihre Entwicklungschancen besser nutzen können.
Gleichzeitig ist uns auch deutlich geworden: Mit der Vielzahl von Herausforderungen und Bedürfnissen können Lehrerinnen und Lehrer nicht alleine umgehen.

Multiprofessionelle Teams als Basis

Im Kontext von Inklusion wird häufig vom Einsatz multiprofessioneller Teams gesprochen. Hier unterstützen Sonderpädagog/innen oder Inklusionshelfer/innen die Lehrkräfte direkt im Unterricht. Im Bereich Sprachförderung werden außerdem Förderkräfte für Deutsch als Zweitsprache hinzugezogen. Die Implementation oder Effektivität dieser multiprofessionellen Teams wurde und wird wiederholt kritisiert – vor allem, weil nur selten die personellen oder finanziellen Ressourcen zur Einrichtung dieser Zusammenarbeit vorhanden sind oder ausgeschöpft werden. Gleichzeitig berücksichtigen diese personellen Unterstützungen in der Regel nur die typischen sonderpädagogischen Fördermaßnahmen, denen eine entsprechende Diagnose vorausgeht. Zu beiden Bereichen werden allerdings basale Lernprobleme wie z.B. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten nur selten hinzugezählt.
Die schriftsprachlichen Anforderungen an Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen sind hoch. Kinder mit Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens (Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, LRS, “Legasthenie”) können mit diesen Anforderungen kaum oder gar nicht mithalten. Etwa 20% der Lernenden klagen über teils massive Schwierigkeiten in diesem Bereich. Ein Großteil dieser Kinder versagt immer wieder in zahlreichen Fächern, die das Lesen zur Aufnahme von Informationen oder das (schnelle und richtige) Schreiben innerhalb von Aufgaben voraussetzen.
Für Kinder mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens (Rechenschwäche, “Dyskalkulie”) gilt Ähnliches. Allerdings bieten die bestehenden Unterstützungssysteme für sie noch weniger Chancen zu Förderung und Schutz.

Lerntherapie in Schule als Weiterentwicklung

In Zeiten inklusiver Schulentwicklungsprozesse rücken im Sinne eines breiten Verständnisses von Inklusion LRS,  besondere Schwierigkeiten im Rechnen und weitere Lernprobleme in den Fokus. Außerschulische Lerntherapie – ein Feld, in dem in den vergangenen Jahren hochqualifizierte, empirisch fundierte Expertise entstanden ist – kann und sollte zur Entlastung von Schule und zur integrativen Unterstützung von Schülerinnen und Schülern herangezogen werden.
Es wäre leicht an dieser Stelle einzuwenden, dass es in der Schulpolitik doch ohnehin nur Stagnation gäbe und schon ganz basale Dinge wie geringere Klassengrößen oder eine ausreichende Anzahl von Lehrkräften in den meisten Schulen Deutschlands nicht gewährleistet werden können. Das mag großteils so stimmen, aber es entlässt uns nicht aus der Verpflichtung weiterzudenken und nach positiven Entwicklungsmöglichkeiten zu suchen.
Zur Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Förderung im Bereich LRS gibt es zudem schon einige gute Ansätze und Beispiele. Deshalb haben wir uns entschlossen, gemeinsam mit verschiedenen Partnern einen praxisorientierten Reader zusammenstellen, der grundlegende Fragestellungen zur Kooperation beleuchtet und konkret über Beispiele gelingender Zusammenarbeit berichtet.

Geplante Inhalte des Praxisreaders

Obwohl in der Schule individuelle Förderung gefordert wird, ist es aufgrund systemischer Zwänge schwierig, diese umzusetzen. Defizite werden von Jahr zu Jahr stärker außerschulisch “behandelt”. Diese Schere sollte nicht weiter auseinanderklaffen. Kooperation und Fachwissen werden gebraucht, um Lehrkräfte zu unterstützen.
Im Folgenden stellen wir Ihnen die Fragestellungen vor, die im geplanten Reader bearbeitet und beantwortet werden

1. Kooperation ist notwendig
Warum sollte die Zusammenarbeit mit außerschulischen Förderkräfte Teil von inklusiver Schule werden? Welche Vorteile kann die Kooperation für Lehrkräfte, für außerschulische Fachkräfte und nicht zuletzt für die betroffenen Schülerinnen und Schüler bringen?

2. Kooperation ist machbar
Welche Umsetzungsmöglichkeiten sind in der Schule denkbar?  Welche praktischen Beispiele und Erfahrungen gibt es? Wo stößt die Kooperation bisher an Grenzen? Welche Entwicklungen wären optimal?

3. Finanzielle und rechtliche Aspekte der Kooperation
Was sind wesentliche rechtliche Aspekte lerntherapeutischer Förderung in der Schule? Wie kann eine finanzielle Grundlage für gemeinsame Förderung geschaffen werden? Wie wird der Erfolg langfristig gesichert?

Wir hoffen, diese Fragen machen auch Sie neugierig. Wir selbst sind es in jedem Fall und freuen uns auf die unterschiedlichen Beiträge, die in nächster Zeit bei uns eintreffen werden!

Bildquellen:
Illustration „Übefülltes Klassenzimmer“: © LegaKids Stiftungs-GmbH / Jakob Weyde
Illustration „Ausgelacht“: © LegaKids Stiftungs-GmbH / Eva Hoppe
Illustration „Lerntherapie in der Schule“: © LegaKids Stiftungs-GmbH / Jakob Weyde

Qualifikation und Fortbildung von Lehrkräften zu Alphabetisierung und Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS, Legasthenie)