Digitale Medien für den Schriftspracherwerb nutzen
Aus der Alltagswelt der Kinder sind die Neuen Medien nicht mehr wegzudenken – ob es sich um den (fast schon traditionellen) Computer handelt, um Spielkonsolen in groß oder klein, Tablet-PCs, Smartphones oder das Whiteboard in zahlreichen Klassenzimmern. Es ist daher Aufgabe von uns Eltern, Lehr- und Förderkräften Kinder im Umgang mit diesen Medien nicht allein zu lassen, sondern sie bei deren Nutzung zu unterstützen. Neben der Alltagsdurchdringung im Freizeitbereich bieten die digitalen Medien neu gestaltete sowie gestaltbare Lehr- und Lernprozesse.
„Geplantes Lehr-Lern-Arrangement“
Bei Udo Käser et al. (2008) findet sich der Begriff „Geplantes Lehr-Lern-Arrangement“. Darunter ist eine Konzeption der individuellen Förderung zu verstehen, an der alle direkten Bildungsakteure beteiligt sind. D.h. ein solches Lehr-Lern-Arrangement findet nicht nur zu Hause oder nur in der Schule oder nur in einer außerschulischen Förderung statt, sondern bezieht idealerweise alle Beteiligten ein. Der Autor verweist dabei „auf die Möglichkeiten und die Bedeutung einer Einbettung von Software in ein geplantes ‚Lehr-Lern-Arrangement“ (Käser et al., 2008, S. 183). Diese Einbettung sollte über den eher zufälligen Einsatz von Lernsoftware hinausgehen:
„Während insofern eine einmalige oder nur sporadische Programmnutzung zumeist lediglich das Ziel verfolgen kann, Motivation und Interesse zu wecken und zu erhalten bzw. in ein neues Thema einzuführen und einen anfänglichen Lernimpuls zu setzen, macht es der geplante Einsatz von Software als Lernmedium möglich, sehr viel anspruchsvollere und komplexere Ziele zu verfolgen. Vor allem eröffnet sich in der zielgerichteten Kompensation von Defiziten eine wichtige Perspektive“ (Käser et al., S. 184).
Welche Voraussetzungen sind für ein geplantes Lehr-Lern-Arrangement nötig?
Technische Voraussetzungen:
Alle Beteiligten (Schüler, Eltern, Lehr- und Förderkräfte) verfügen über einen internetfähigen Computer und einen Zugang zum Internet.
Medienkompetenz:
Alle Beteiligten bringen ausreichend Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien mit oder sind bereit, sich diese zu erarbeiten.
Gemeinsames Ziel:
Alle Beteiligten erarbeiten und definieren eine gemeinsame Zielvorstellung. An diesem Aushandlungsprozess ist insbesondere auch das Kind beteiligt – um seinen Lernfortschritt geht es schließlich. Die Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern (Schule) und außerschulischen Förderkräften ist meist problematisch und von Vorurteilen geprägt.
Gemeinsame Sprache:
Wenn ein Kind sich mit dem Lesen und/oder Schreiben schwer tut, gibt es bei allen Beteiligten implizit jede Menge an Gedanken über die Ursachen bzw. die Verursacher. Selbstvorwürfe, versteckte oder offene Schuldzuweisungen behindern das gemeinsame Vorgehen. Daher ist es nötig, eine sprachliche Basis zu finden, die gegenseitige Schuldvorwürfe unnötig macht bzw. verhindert.
Voraussetzungen des digitalen Angebots:
- Das digitale Angebot (Übungs- und Lernsoftware, Internetseiten o.ä.) ist, um von allen Akteuren gleichermaßen genutzt werden zu können, leicht verständlich und für alle gut nachvollziehbar.
- Die Kosten sind möglichst gering, damit auch finanziell schwächer gestellten Familien der Zugang ermöglicht wird.
- Umsetzung und Darstellung sind an den Bedürfnissen der kindlichen Erfahrungswelt orientiert.
- Inhaltlich und didaktisch ist es an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schriftspracherwerb orientiert.
- Kleine Lernschritte in klaren Lerneinheiten sowie andauernder Lernspaß durch abwechslungsreiche Übungen sichern kontinuierliche Erfolge.
- Es ist flexibel; d.h. nicht das Programm oder die Software diktiert das Lehr-Lern-Arrangement, sondern das Programm lässt sich den Bedürfnissen der Akteure entsprechend an das Setting anpassen. (Weitere Kritierien für “gute Lernsoftware” werden weiter unten beschrieben).
Das ist ein hoher Anspruch, der allerdings durch das Ziel gerechtfertigt ist: Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten so effektiv zu unterstützen, dass ihnen eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
Beispiel: LegaKids als vermittelndes Medium
LegaKids ist ein soziales Unternehmen, das nicht auf Profit ausgerichtet ist. Mit viel ehrenamtlichem Einsatz und der Unterstützung unterschiedlicher Sponsoren werden Lernspiele, Projekte, Informationsbroschüren etc. realisiert – mit dem Ziel Kinder bei Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb zu unterstützen. Auf LegaKids gibt es neben den umfangreichen Kinderseiten auch einen Bereich für Eltern, Lehr- und Förderkräfte mit vielen Informationen, Tipps und Empfehlungen sowie aktuellen Meldungen.
Literatur
Käser, U. et al. (2008) Lebenslang lernen. Logos Verlag: Berlin.
Sehr geehrtes alpha-prof-team,
der Verweis auf ein uraltes Buch von Hr. Käser als Beleg für den angeblichen Nutzen von digitalen Medien überzeugt ganz und gar nicht. Als Nachteilsausgleich, wenn alle Stricke gerissen sind, was schulische und außreschulische Förderung angeht, ja, da bin ich Ihrer Meinung, dann sollte man es versuchen, digitale Medien zu nützen. Aber generell zu postulieren, da wäre ein Nutzen, ist pädagogsich nicht zu halten. Kennen Sie nicht die Werke Prof. Manfred Spitzers?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kleber
Sehr geehrter Herr Kleber,
unter „uralt“ kann man sicher verschiedenes verstehen. Selbstverständlich gibt es neuere Studien und Schriften, die sich mit dem Einsatz digitaler Medien beim Schriftspracherwerb beschäftigen (vgl. z.B. Brinkmann, E. und Valtin, R. 2012).
Udo Käsers Buch von 2008 wurde herangezogen, weil darin ein konkretes „Lehr-Lern-Arrangement“ beschrieben wird. Hierbei geht es gerade nicht darum, irgendeine Software für jedes Kind zu empfehlen, sondern in Absprache mit den zentralen Personen, die das Lernumfeld des Kindes bilden, digitale Medien zur Unterstützung des Schriftspracherwerbs bzw. der Verbesserung des Rechtschreibens oder Lesens einzusetzen.
Digitale Medien sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Sie werden von Kindern mit großer Selbstverständlichkeit verwendet – diese Affinität für wertvolle Lernprozesse zu nützen, kann unserer Meinung nach durchaus sinnvoll und zielführend sein. Dabei geht es nicht um stundenlange Computer- oder Tabletnutzung täglich, sondern um ein klar begrenztes Arrangement.
Selbstverständlich sind uns die medienkritischen Beiträge von Manfred Spitzer bekannt. Er macht seinem Namen alle Ehre und spitzt die Dinge gerne zu …
Mit freundlichen Grüßen
Britta Büchner
Sehr geehrte Damen und Herren,
Menschen sind in erster Linie Beziehungswesen. Die Gehirnforschung untermauert mit ihren wissenschaftlichen Studien seit Jahren, dass Lernerfolge insbesondere auf „emotional positiv bewerteten zwischenmenschlichen, echten Erfahrungen“ beruhen. Diese elementar wichtige Grundvoraussetzung des Lernens fehlt beim bloßen Anwenden einer Lernsoftware zur Gänze.
Als ein möglicher Schritt zur Annäherung an das Thema Legasthenie ist eine solche Software in gewisser Weise effektiv. Insbesondere die Spracherwerbsanteile jedoch laufen über die zwischenmenschliche Interaktion. Verspricht hier ihre Werbung mehr, als das Produkt in der Realität im Stande zu leisten ist?
Sehr geehrter Herr Wisnewski,
über die zentrale Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehung(en) für das Lernen sind wir uns sicher einig. In den Kursen von alphaPROF wird diese „Grundvoraussetzung des Lernens“ an zahlreichen Punkten betont. Diese Erkenntnis steht allerdings dem beschriebenen „Lehr-Lern-Arrangement“ in keiner Weise entgegen, ist hier der Part der digitalen Medien doch nur Teil einer gemeinsamen Arbeit mit dem Kind und seinem Umfeld.
An keiner Stelle plädieren wir dafür, das „Abspulen“ einer Lernsoftware als Ersatz für erfahrungs- und beziehungsorientiertes Lernen zu verwenden. Auch beinhaltet der Beitrag keine Werbung für eine spezielle Lernsoftware, da es ja individuell zu entscheiden gilt, welche Förderung mit welchem Schwerpunkt ein Kind jeweils benötigt.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Büchner