Mathe lernen am PC – Übungsspiele und Lernsoftware

Mathe lernen am PCGastbeitrag von Hans-Joachim Lukow

Mathematik lernen am Computer wird immer beliebter. Immer neue Lernspiele und Apps halten Einzug in die Kinderzimmer. Die Palette der Lernprogramme ist riesig. „Mathe lernen leicht gemacht, mit einem Wisch zum Ergebnis!“ – so der Gestus von Lernsoftware-Anbietern. So wollen sie Kinder und Jugendliche für das Rechnen begeistern. Spielerisch und ganz einfach am PC oder mit dem Tablett soll das zuhause am Computer gelernt werden, was in der Schule nicht vermittelt worden ist.

„Das klingt zu schön um wahr zu sein“, sagt Hans-Joachim Lukow, Leiter des Zentrums für angewandte Lernforschung und des Osnabrücker Zentrums für mathematisches Lernen (Rechenschwäche/Dyskalkulie), der seit 20 Jahren mit rechenschwachen Kindern arbeitet.

Einschätzung der Schwierigkeiten im Vorfeld

In den Sommerferien spielerisch üben bedeutet für Eltern, sich im Vorfeld mit dem Kind und seinen Rechenproblemen zu befassen und zu schauen, wo die Probleme genau liegen. „Damit die Stimmung nicht gleich nach den Ferien kippt, sollten Eltern drei wesentliche Punkte bei der Anwendung mathematischer Lernspiele am PC und Apps beachten“, so Lukow.
Erstens: Die Verwendung von Lernsoftware eignet sich generell für Kinder, die bereits ein mathematisches Fundament erworben haben, welches es durch Übungen zu festigen gilt oder auch ausgebaut werden soll. Da ist üben gut. Vorhandenes Wissen wird angewandt und Ableitungsstrategien werden genutzt. Hier können Lernprogramme eine „geduldige“ Hilfestellung sein.

Üben kann man nur, was verstanden ist

Zweitens: „Hat ein Schüler den aktuellen mathematischen Stoff nicht verstanden, oder liegen darüber hinaus grundlegende Probleme im Sinne einer Rechenschwäche/Dyskalkulie vor, so kann der Einsatz von Übungsprogrammen schnell kontraproduktiv werden“, erläutert Lukow.

PC-Programme können nicht oder nur sehr undifferenziert festhalten, aber nicht analysieren, wo die Defizite des Kindes liegen. Da bei der Übung am Computer/Tablett keine Denkwege erfasst werden, ist es deshalb auch nur begrenzt möglich, die Ursache des Problems aufzudecken und festzuhalten, wo Sohn oder Tochter beim Lernen des Mathematikstoffs ausgestiegen ist.

Analyse hinderlicher Denkweisen und Strategiewechsel nötig

Gerade rechenschwache Kinder lösen die ihnen gestellten Aufgaben prinzipiell mit ihrer eigenen Strategie. So zählen diese bei plus hoch und bei minus runter, lernen die Einmaleins-Reihen ohne Verständnis auswendig oder wenden antrainierte Rechenverfahren rein schematisch an. So lösen rechenschwache Kinder Aufgaben wie 8-7, indem sie beispielsweise an den Finger kontrolliert rückwärts zählen. Üben bedeutet in diesem Fall, schneller zählen zu lernen.

Die Rechenschwäche aufzuarbeiten heißt aber, einen Strategiewechsel einzuleiten und es dem Kind zu ermöglichen, über neue Einsichten solche Aufgaben über die Zahlennähe zu lösen. Geschieht dies nicht und wird mit der vorhandenen Problematik noch weiter trainiert, werden sich falsche Rechenstrategien verfestigen. Zur Behebung von grundlegenden Rechenschwierigkeiten ist immer ein persönlicher Kontakt zum Kind wichtig, um die mathematischen Defizite im Gespräch zu analysieren. Nur allein am Ergebnis einer Rechenaufgabe lässt sich das Denken des Kindes nicht ergründen.

Mathematik sollte im Vordergrund stehen

Drittens: Das gute Übungsprogramm ist „ehrlich“. Die Mathematik steht im Vordergrund und nicht die Animation. Die Animation kann das mathematisch zu bearbeitende Thema einbetten und so hilfreich sein, an den nicht geliebten Stoff heran zu führen. „Es ist aber nicht zu vergessen, Rechnen ist anstrengend für den Schüler, egal ob mit Lernspiel oder ohne“, sagt Lukow. „So stellt sich der ‚Spaß‘ an der Mathematik beim Kind erst richtig ein, wenn der Stoff verstanden worden ist und das Kind merkt, dass es mit immer weniger Aufwand die gestellten Aufgaben richtig löst.“

Bei mathematischen PC-Übungsspielen und Apps scheidet sich die Spreu vom Weizen, wenn es um Fehlerbehandlungen geht. Das Ergebnis auf richtig und falsch zu überprüfen, schaffen fast alle Programme. Besser ist es, wenn auch Erklärungen und Hinweise zu den gestellten Aufgaben und zu den vom Kind ermittelten Rechen-Ergebnissen gegeben werden.

Entscheidungsgrundlagen für ein Programm

Entscheidend beim Kauf eines Programms ist es, sich im Vorfeld Rechenschaft darüber abzulegen, möglichst unter Einbeziehung der Schule, wo das Kind steht bzw. wo die Schwierigkeiten beim Rechnen liegen.

Der erste Schritt für Eltern sollte zunächst der Kontakt zur Schule sein, um die Rechenfehler des Kindes zu analysieren. Vor dem Einsatz von Lernsoftware sollten sich Eltern mit dem Kind gemeinsam das Programm ansehen. Demo-Versionen bewahren vor Überraschungen! Wichtig ist auch, den Zeitrahmen für die Übungsdauer festzulegen. Länger als 30 Minuten ist wenig sinnvoll.

Weitere Informationen zu Rechenproblemen bei Kindern und zur Rechenschwäche von Kindern und Jugendlichen unter www.arbeitskreis-lernforschung.de.

Bildquelle: © OZML (Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen)

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3 Responses zu “Mathe lernen am PC – Übungsspiele und Lernsoftware”

  1. Christian Müller 10. Oktober 2017 um 21:37 #

    Guter Beitrag! Aber, dass die Schule beim Analysieren der Rechenfehler wirklich helfen kann, ist wohl eher die Ausnahme.
    Der gesamte Beitrag passt meiner Meinung nach im übertragenen Sinne auch sehr gut auf Lernsoftware zur Lese- Rechtschreibförderung.

    • Lisa 7. November 2018 um 15:27 #

      Sie haben recht!

      • mm
        Britta Büchner 7. November 2018 um 17:16 #

        Danke für Ihren Kommentar, liebe Lisa. Wir geben das gerne an Herrn Lukow, den Autor dieses Gastbeitrags, weiter.

        Viele Grüße vom Redaktionsteam
        Britta Büchner

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